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Anästhesie bei M. Pompe

Text nach Vorlagen des Neuromuskulären Zentrum der Universität Ulm (NMZU), zusammengestellt von Thomas Schaller, durchgesehen von Prof. Dr. Benedikt Schoser.

Zusammenfassung für Betroffene

  • Gute Absprache zwischen Operateur und Anästhesist ist unabdingbar!
  • Alle klinischen und apparativen Befunde sollten dem Anästhesisten präoperativ vorliegen!
  • Die einfühlsame Aufklärung über den Ablauf der Narkose reduziert Ängste!
  • Prämedikationsmedikamente vorsichtig dosieren oder weglassen!
  • Kein Succinylcholin!
  • Triggerfreie Anästhesie, wenn Risiko für eine maligne Hyperthermie besteht!
  • Möglichst auf Muskelrelaxantien verzichten!
  • Postoperative Überwachung auf Intensivstation einplanen!

Zitiert aus: Anästhesie bei neuromuskulären Erkrankungen – Wissenswertes für Betroffene, Neuromuskuläres Zentrum der Universität Ulm (NMZU)

Warnhinweise zur Narkose sollten im Notfall-Ausweis vermerkt sein!

Myopathien / Muskeldystrophien

Das anästhesiologische Risiko wird weitgehend durch die pulmonalen und kardialen Einschränkungen bestimmt. Die Muskelschwäche kann eine Saug-, Schluck- und Atemschwäche bedingen. Da auch die glatte Muskulatur betroffen ist, sind möglicherweise zusätzlich Ösophagus- und Magenmotilität kompromittiert, wodurch zusammen mit dem verminderten Hustenstoß das Aspirationsrisiko weiter erhöht wird. Die respiratorische Schwäche manifestiert sich in einer Erniedrigung der Vitalkapazität (VC)...

Auch kardiale Störungen sind sehr häufig, wobei deren Ausmaß nicht mit dem Erkrankungsgrad der Skelettmuskulatur korrelieren. Nur 10 % der Patienten werden klinisch auffällig, bei relevanten Rhythmusstörungen wird die Implantation eines Schrittmachers empfohlen. Auch kardial kompensierte Patienten können einen plötzlichen Herztod erleiden. Oft besteht eine extreme Empfindlichkeit gegenüber allen atemdepressiven Medikamenten (nicht nur Barbituraten), die zu einer langdauernden Apnoe führen können und daher sehr zurückhaltend dosiert werden müssen, ausserdem muss mit einer verminderten Atemantwort auf Hypoxie und Hyperkapnie gerechnet werden.

Da Succinylcholin und volatile Anästhetika mit einem hohen Risiko eines Hyperkaliämieinduzierten Herzstillstandes, MH-ähnlicher Episoden und schwerer Rhabdomyolysen einhergeht. Sind diese kontraindiziert. NDMR können nach Wirkung titriert werden; zur Aufhebung eines Überhanges muss allerdings auf die Anwendung von Cholinesterasehemmern verzichtet werden, da diese, ebenso wie Succinylcholin, zu massiven Hyperkaliämien mit Asystolien führen können...

Metabolische Myopathien

Aufgrund der möglichen Kardiomyopathie müssen negativ inotrope Effekte durch Anästhetika vermieden werden und engmaschige Kontrollen der myokardialen Funktion gewährleistet sein. Auf volatile Anästhetika sollte daher möglichst verzichtet werden. Weiterhin dürfen keine depolarisierenden Muskelrelaxanzien wegen der Gefahr einer akuten Hyperkaliämie angewandt werden. Perioperativ sollte auf eine Myoglobinurie geachtet werden: neben einer guten Hydrierung kann auch eine forcierte Diurese (z.B. Mannit) zur Verhinderung einer akuten Nierenschädigung nötig sein. Zur Unterstützung des Muskelmetabolismus sollte perioperativ Glukose substituiert werden. Auch Aminosäurelösungen können nützlich sein. Eine Auskühlung des Patienten muß auf jeden Fall vermieden werden, da der erhöhte Energiebedarf beim "Shivering" bei gestörtem muskulärem Energiehaushalt einer weiteren Muskelschädigung Vorschub leistet. Beim M. Pompe wurden z. T. schwere respiratorische Störungen wie rezidivierende Aspirationspneumonien oder pulmonale Hypertension beschrieben. Zudem kann eine ausreichende Oxygenierung im Rahmen der Anästhesie durch weitere pathologische Veränderungen erschwert werden: eine vergrösserte Zunge kann zu Intubationsproblemen führen, das vergrösserte Herz zu einer Kompression grosser Bronchien mit Dystelektasen und erheblichem Rechts-Links-Shunt...

Zitiert aus: Anästhesie bei neuromuskulären Erkrankungen – Ausgewählte Krankheitsbilder, Neuromuskuläres Zentrum der Universität Ulm (NMZU)

Maligne Hyperthermie (MH)

Bei einem bestimmten Personenkreis kann eine vermeintliche MH-Episode an bestimmte andere Krankheiten gekoppelt sein... Dies sind in erster Linie neuromuskuläre Erkrankungen, die nach Gabe von Triggersubstanzen klinisch mit einer Malignen Hyperthermie Krise verwechselt werden können. Unter Umständen ist aber eine spezifische Therapie notwendig, die von der Behandlung einer MH abweicht [selten auch bei den Glykogenosen]...

Gemeinsam ist ihnen, dass hier

  • keine primäre, erbliche Störung des Kalziumstoffwechsels der Muskelzelle, sondern eine sekundäre Stoffwechselstörung vorliegt, die z. T. durch die krankheitsbedingten Veränderungen der Muskelzelle erklärt werden kann,
  • Bei diesen seltenen neuromuskulären Erkrankungen ist häufig ein spezifisches Vorgehen bei Narkosen angezeigt.

Zitiert aus: Informationsbroschüre Maligne Hyperthermie, 5. aktualisierte Auflage, Neuromuskuläres Zentrum der Universität Ulm (NMZU)

Weitere Informationen

  • Neuromuskuläres Zentrum der Universität Ulm (NMZU)
  • Narkose bei neuromuskulären Krankheiten
  • Maligne Hyperthermie (MH)
  • Anästhesie: Aufklärung bei Narkosen
    Beachtenswertes für Muskelkranke bei Operationen
  • Anaesthesia recommendations for patients suffering from Pompe disease (Link öffnet Seite zum Herunterladen einer PDF-Datei)
    gefunden bei www.orphananesthesia.eu, einem Projekt der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V.
  • Literaturempfehlung für Anästhesie bei neuromuskulären Erkrankungen:
    Fabrizio Racca et al.
    Recommendations for anesthesia and perioperative management of patients with neuromuscular disorders
    Minerva Anestesiologica 2013 April;79(4):419-33, Volltext als PDF verfügbar.
  • Weitere Literaturrecherche bei PubMed: pompe disease anesthe*
  • In der Informationsbroschüre PompeConnections wird das Thema in dem Band Atemprobleme bei M. Pompe ebenfalls angesprochen:
    Frage:
    Bei mir ist ein chirurgischer Eingriff geplant, der möglicherweise unter Vollnarkose durchgeführt wird. Was kann ich tun, um Atmungs- oder Lungenproblemen vorzubeugen?
    Antwort:
    Falls bei einem chirurgischen Eingriff eine Vollnarkose notwendig ist, sollten Sie das medizinische Team rechtzeitig vorher darüber informieren, dass Sie nach der Operation eine zusätzliche Atemunterstützung und Unterstützung beim Husten brauchen. Weisen Sie klar darauf hin, welche Art der Unterstützung Sie wünschen. Manche Pompe-Patienten möchten lieber eine nicht-invasive Beatmung (wie z. B. ein BiPAP-Beatmungsgerät und Hustenunterstützung mit dem Cough Assist). Andere Patienten haben das Gefühl, dass eine invasive Beatmung (über einen Beatmungsschlauch in den Atemwegen) effektiver ist. Familienmitglieder, die Sie in der Erholungsphase nach der OP unterstützen, müssen in die richtige Bedienung der jeweiligen Geräte eingewiesen werden. Ein Atemtherapeut kann hier die richtige Schulung übernehmen. Sie sollten auch das OP-Team darüber informieren, wenn Sie bereits ein Beatmungsgerät benutzen, so dass im Vorfeld bereits Ihre Bedürfnisse in Bezug auf die Narkose so gut wie möglich geplant werden können. Es ist hilfreich, das eigene Beatmungsgerät ins Krankenhaus mitzunehmen und das mit dem Arzt und dem Anästhesisten vorher zu besprechen.
    Frage:
    Was soll ich Ärzten und dem medizinischen Personal über den Einsatz von Sauerstoff sagen?
    Antwort:
    Häufig ist sich das medizinische Personal nicht darüber bewusst, dass es nicht ratsam ist, Pompe-Patienten mit Atmungsproblemen mit Sauerstoff zu verabreichen. Das kann sogar gefährlich sein und sollte im Bedarfsfall nur mit Wissen Ihres Arztes kontrolliert und mit großer Vorsicht gegeben werden. Denken Sie daran, dass die Atmungsprobleme bei Morbus Pompe durch eine geschwächte Atemmuskulatur und nicht durch eine Erkrankung der Lunge verursacht werden. Die meisten Pompe-Patienten haben eine gesunde Lunge. Die Sauerstoffgabe verhilft Ihnen nicht zu einer tieferen Einatmung, sondern unterdrückt den natürlichen Atemimpuls. Dabei steigt der CO2-Gehalt im Blut stark an und es besteht das Risiko, dass es zu einem Atemversagen kommt. Das kann verhindert werden durch eine Atemtherapie, die eine tiefe Atmung ermöglicht. Zur Sicherheit sollten Sie für Notfallsituationen ein Notfallarmband tragen oder einen Notfallausweis mit schriftlichen Instruktionen Ihres Pulmologen oder Beatmungsspezialisten mit sich führen. Sauerstoff sollte nur im Krankenhaus gegeben werden, wenn Sie eine Lungenerkrankung wie z. B. Lungenentzündung haben oder um in den letzten Stadien von Morbus Pompe Erleichterung zu verschaffen.
    Stand: 2013 (deutsche Übersetzung)

Ausgewählte wissenschaftliche Publikationen

Zum Weiterlesen: Kategorie Publikationen in den Weblinks

Geschichte des M. Pompe

1932
Erstbeschreibung durch den niederländischen Arzt Joannes Cassanius Pompe (1901-1945) an einem 7 Monate alten Kind

1954
Definition als Glykogenspeicherkrankheit durch Gerty T. Cori (1896-1957)

1963
Beschreibung des Zusammenhangs zwischen genetisch bedingtem Enzymmangel in Lysosomen und M. Pompe durch Henri-Géry Hers (1923-2008)

1979
Entdeckung des für M. Pompe verantwortlichen Gendefekts

1999
Erste klinische Studien

2006
Zulassung der ersten Enzymersatztherapie in USA/EU. Substanz: Alglucosidase alpha.

2021/2022
Zulassung einer weiteren Enzymersatztherapie in USA/EU. Substanz: Avalglucosidase alpha.

Quellen

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