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Ethiker kritisieren 4-Millionen-Franken-Infusion

Dieser 5-Jährige leidet an spinaler Muskelatrophie. Foto: Getty Images

Der Pharmakonzern Novartis hat eine Gentherapie gegen die Erbkrankheit spinale Muskelatrophie Typ 1 präsentiert, eine schwere Form von Muskelschwund. Laut «SonntagsZeitung» beziffert der Pharmakonzern den Wert der Therapie, die aus einer Infusion besteht, auf vier bis fünf Millionen Dollar, und entsprechend hoch dürfte auch der Preis sein. In den USA, der EU und Japan laufen bereits Zulassungsverfahren, der entsprechende Antrag in der Schweiz dürfte folgen.

Kinder, die mit dem Gendefekt geboren werden, sterben heute meist in den ersten zwei Lebensjahren. Sie können weder selbstständig atmen noch schlucken. Laut einer klinischen Studie lebten alle 15 mit der Gentherapie AVXS-101 behandelten Kinder nach zwei Jahren noch. 11 von 12 Kindern, denen eine höhere Dosis appliziert wurde, konnten laut «SonntagsZeitung» sitzen, sich normal ernähren und sprechen, 2 sogar laufen. In der Schweiz kommen im Schnitt pro Jahr 12 Kinder mit besagtem Gendefekt zur Welt.

13 gewonnene Lebensjahre

Die Therapie, mit der ein gesundes Gen eingeschleust wird, dürfte das Leben der Kinder um durchschnittlich 13 Jahre verlängern. Trotz des grossen medizinischen Erfolges löst der hohe Preis in der Schweiz eine Debatte über die Kosten neuer Therapien aus. Das Bundesgericht machte 2011 in einem Urteil zur Übernahme des Medikaments Myozyme gegen die Muskelkrankheit Morbus Pompe Überlegungen zum finanziellen Gegenwert eines geretteten Menschenlebens und kam auf einen Betrag von 100'000 Franken.

Für den Ethiker Alberto Bondolfi ist klar, dass eine neue wirksame Therapie für alle Menschen verfügbar sein muss. «Die medizinische Behandlung ist ein Grundrecht.» Es stelle sich die Frage, wie der Betrag von vier Millionen Dollar zustande gekommen sei. Falls es sich um den Preis handle, mit dem die Entwicklungskosten gewinnbringend refinanziert würden, werfe dies ethische Fragen auf.

Kosten und Nutzen bewerten

Auch die Medizinethikerin Ruth Baumann-Hölzle fordert von der Pharmaindustrie Preistransparenz. Die Gentherapie sei ein Beispiel, warum gesellschaftlich akzeptierte Schwellenwerte für medizinische Behandlungen festgelegt werden müssten. Nötig sei eine unabhängige Kosten-Nutzen-Bewertung für eine Behandlung. Baumann-Hölzle hält eine öffentliche Debatte für dringend, denn die hohen Preise der neuen Krebstherapien und der personalisierten Medizin fordere das Krankenversicherungssystem in den nächsten Jahren stark.

Es gehe nicht um die simple Rechnung, wie viel die Therapie für ein gewonnenes Lebensjahr koste. Die Lebensqualität müsse in die Bewertung einbezogen werden. Die Frage lautet für Baumann-Hölzle: Wie hoch sind die Kosten für ein zusätzliches Lebensjahr bei gleichem Leiden? «Die Preisbildung darf nicht allein dem Markt überlassen werden. Gesundheit ist kein privates Handelsgut und die Krankenversicherung eine Solidarversicherung.» Dieser stünden nicht unbeschränkte Mittel zur Verfügung. «Wir müssen sicherstellen, dass die Mittel im Gesundheitswesen fair und solidarisch verteilt werden.»

Bondolfi fordert eine Rahmengesetzgebung auf internationaler Ebene, um sicherzustellen, dass die neuen, teuren Behandlungen für alle Menschen verfügbar sind. «Das kann nicht die Schweiz für sich allein regeln.» Zudem brauche es eine staatliche Forschungspolitik, die attraktive Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Medikamenten schaffe. Falls die Preisbildung für solche Therapien einfach den Marktkräften überlassen werde, sei dies unethisch. Dann könnten sich nur Reiche diese Therapien leisten.