Pompe-Beatmungsworkshop am 6. Oktober 2018 in Essen war ein großer Erfolg

Morbus Pompe ist vor allem als neuromuskuläre Erkrankung bekannt, die im Alltag vor allem zu Einschränkungen der Körperkraft und Mobilität führt. Parallel dazu kommt es – häufig spät bemerkt und zu spät behandelt – früher oder später zu einer Schwächung der Atemmuskulatur. Dabei bietet die nichtinvasive Beatmung eine vergleichsweise einfache und hochwirksame Möglichkeit, den Symptomen zu begegnen. Eine optimale Beatmung trägt mit fortschreitender Erkrankung wesentlich dazu bei, die Lebensqualität möglichst lange auf einem hohen Niveau zu halten. Es ist nie zu früh, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzten, selbst wenn man noch nicht beatmungspflichtig ist.

Der von Pompe Deutschland veranstaltete Workshop sollte Pompe-Betroffenen Gelegenheit geben, sich mit dem Thema Atmung und Beatmung auseinanderzusetzen. Der Workshop vermittelte Grundwissen zu Atmung, Beatmung und Sekretmanagement, stellte Methoden und Hilfsmittel zur Beatmung praktisch vor und brachte Fachleute und Betroffene zu Diskussion und Erfahrungsaustausch zusammen.

Der VortragsraumMehr als fünfzig Teilnehmer, darunter 22 Betroffene, sind der Einladung gefolgt und verbrachten im Hotel Franz in Essen einen arbeitsintensiven und lehrreichen Tag. Wir danken den Referenten für ihr großes Engagement und das Opfern eines freien Tages für die Pompe-Community, den Betroffenen für ihr Interesse, den Begleitpersonen für ihre tatkräftige Hilfe und der Selbsthilfeförderung der Krankenkassen für die finanzielle Unterstützung. Der Workshop wurde mit Projektfördermitteln der DAK-Gesundheit gefördert.

Bild: Gespannte Aufmerksamkeit im Vortragsraum.

Im einleitenden Teil gab Dr. med. Matthias Boentert, Leitender Oberarzt und Facharzt für Neurologie und Schlafmedizin am Universitätsklinikum Münster, einen Überblick über die Symptome, Genetik, Therapie  des Morbus Pompe und erläuterte die krankheitsspezifischen Eigenheiten und Diagnostik der Atemmuskelschwäche.

Das Schlaflabor als zentrales Diagnoseinstrument und die Grundlagen der nichtinvasiven und invasiven Beatmung bei Kindern und Erwachsenen wurden von Professor Dr. Gerhard Laier-Groeneveld, Chefarzt der Klinik für Bronchial- und Lungenheilkunde am Johanniter-Krankenhaus Oberhausen, vorgestellt.

Vor der Mittagspause rundete Dr. Boentert die Fachvorträge mit einer Vorstellung der laufenden Therapieentwicklungen einschließlich gentherapeutischen Ansätze zur Behandlung des Morbus Pompe ab.

Die Referenten haben sich bei der Präsentation der komplexen Inhalte sehr gut auf den Erfahrungshorizont der Betroffenen eingestellt, was an den lebhaften Diskussionen und Detailfragen deutlich wurde.

Die Referenten des Workshops

Die Referenten: Dr. Matthias Boentert, Ingo Beecken, Manuel Schäfer, Prof. Dr. Laier-Groeneveld (von links nach rechts).

Am Nachmittag stand die Umsetzung der theoretischen Grundlagen in Handlungsempfehlungen für den Beatmungsalltag im Vordergrund. Der Atmungstherapeut Ingo Beecken (Clemenshospital Münster) widmete sich der Praxis der nicht-invasiven Beatmung und dem Sekretmanagement. Die dafür erforderlichen Beatmungshilfsmittel wurden von Manuel Schäfer vorgestellt; er ist durch die Zusammenarbeit mit Prof. Young am Universitätsklinikum Münster mit der Versorgung neuromuskulärer Patienten bestens vertraut. In praktischen Vorführungen einzelner Geräte konnten sich die Teilnehmer mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinandersetzen. Es wurde einmal mehr deutlich, dass es keine allgemeingültigen Empfehlungen geben kann; vielmehr ist die Heilmittelversorgung auf die individuellen Bedürfnisse anzustimmen und fortwährend anzupassen.

Vorführung einer Mund-Nasenmaske Der praktische Teil des Workshops

Linkes Bild: Manuel Schäfer (links) und Dr. Matthias Boentert (rechts) führen eine Mund-Nasenmaske vor. Rechtes Bild: Der praktische Teil des Workshops.

Eine Kaffeepause leitete in den lockeren Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern über. Nach mehr als acht Stunden endete der Workshop mit dem positiven Feedback vieler Teilnehmer und der Erkenntnis, dass die Beatmung eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Morbus Pompe spielt.

Dokumentation

Das Studium der Dokumentation ersetzt nicht die Teilnahme an der Veranstaltung, das persönliche Gespräch mit Ärzten und den Erfahrungsaustausch unter Betroffenen. Vor einer Behandlung und der Nutzung von Hilfsmitteln sollte immer ein Arzt konsultiert werden. Für Fragen und Tipps steht die Pompe-Hotline des Vereins zur Verfügung.

Vorträge

  • Überblick M. Pompe (Symptome, Genetik, Therapie), Pathophysiologie und Diagnostik der Atemmuskelschwäche (Dr. Boentert, Münster)
  • Diagnostik im Schlaflabor (Prof. Laier-Groeneveld, Oberhausen)
  • Nicht-invasive und invasive Beatmung bei Kindern und Erwachsenen (Prof. Laier-Groeneveld)
  • Gentherapeutische Ansätze zur Behandlung des M. Pompe – inkl. Gentherapie der Zwerchfellschwäche (Dr. Boentert)
  • Praxis der nicht-invasiven Beatmung (I. Beecken, Münster)
  • Sekretmanagement (I. Beecken, Münster)
  • Vorstellung von Beatmungshilfsmitteln (M. Schäfer, Löwenstein Medical)

Die wichtigsten Ergebnisse des Workshops in Stichworten („Take-home-Messages“)

M. Pompe / Atemmuskelschwäche

  • Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel.
  • Die Atemmuskelschwäche ist ein Symptom bei M. Pompe
  • Zu den Symptomen schlafbezogener Atmungsstörungen gehören:
    - Durchschlafstörungen
    - häufiges Erwachen in der Nacht
    - nächtliche Luftnot
    - Schnarchen
    - vermehrte Traumerinnerung
    - morgendliche Kopfschmerzen
    - Müdigkeit, Erschöpfung und Schläfrigkeit am Tag
    - Konzentrationsstörungen
    - Leistungsminderung
    - Depressivität
  • Die Diagnostik im Schlaflabor umfasst u.a.:
    - Poly(somno)graphie
    - transkutane Kapnometrie
    - Blutgasanalyse
    - Wichtig: Die Sauerstoffmessung allein reicht nicht aus. Es sollte auch CO2 gemessen werden!

ZUSAMMENFASSUNG (1)
Der M. Pompe ist eine behandelbare genetisch bedingte Muskelerkrankung.
Die Enzymersatztherapie kann Mobilität und Atemmuskelfunktion langfristig bessern, verliert aber möglicherweise nach mehreren Jahren an Wirksamkeit.
Die Beteiligung des Zwerchfells ist ein wesentlicher Aspekt der Erkrankung. Diagnostisch sind eine regelmäßige Messung der Atemmuskelkraft und ggf. eine Schlaflaboruntersuchung mit CO2-Bestimmung erforderlich.

Gentherapie

  • Grenzen der Enzymersatztherapie:
    - Geringe Halbwertszeit des Enzyms
    - Begrenzte Verfügbarkeit des Enzyms in Muskelzellen
    - Antikörperbildung gegen das Enzym
    - Keine Aufnahme des Enzyms ins zentrale Nervensystem
    - Nachlassende Wirkung nach mehrjähriger Therapie
  • Theoretische Therapiemöglichkeiten bei M. Pompe:
    - Enzymersatztherapie
    - Enzymersatztherapie mit verbesserter Aufnahme des Enzyms in die Muskelzellen: mehr Enzym vor Ort
    - Enzymersatztherapie mit Enzymstabilisierung („Chaperone“): haltbareres Enzym
    - Substratreduktion: Weniger Glykogen
    - Gentherapie: normales eigenes Enzym und/oder Unterbindung des Untergangs von Muskelzellen

ZUSAMMENFASSUNG (2)
Die Gentherapie ist eine von mehreren Möglichkeiten, M. Pompe zu therapieren. Sie befindet sich an Beginn der klinischen Erprobung und wird frühestens in einigen Jahren verfügbar sein.

Beatmung

  • Beatmung kann Therapie sein!
  • Der Schlaf bei Atmungspumpen-Insuffizienz:
    - Im Schlaf fällt der Wachheitsstimulus auf die Atmung weg !
    - Mit zunehmender Schlaftiefe nimmt der Muskeltonus ab !
    - In den Schlafstadien werden unterschiedliche Atmungsmuskelgruppen dominant !
    - Im REM-Schlaf fehlt der Atemantrieb auf CO2!
    - mangelnder Schlaf oder gestörter REM-Schlaf führen zu einem gesteigerten Schlafbedürfnis !
  • Maßnahmen bei progredienter Atmungsinsuffizienz
    - PCO2 erhöht oder Beschwerden oder PImax<3kPA => Nichtinvasive Beatmung
    - Sekretprobleme => Air Stacking, assisted coughing, Insufflator/Exsufflator (Cough Assist)
    - Aspirationen => Orale Nahrungsrestriktion, PEG
  • Das Beatmungsziel (atmungsentlastend/lungenprotektiv) muss zu Beginn jeder Beatmung festgelegt werden
  • Bei Beatmungspflichtigkeit kann ein entsprechender Passus in der Patientenverfügung hilfreich sein.

ZUSAMMENFASSUNG (3)
Beatmung bessert die Atmung und beseitigt Beschwerden.
Die Lunge kann durch frühzeitig begonnene Beatmung nicht geschädigt werden.
Die Notwendigkeit einer Beatmung kann frühzeitig erkannt werden.
Selbst nach einem akuten Ereignis ist die Prognose sehr gut.
Eine konkrete Patientenverfügung ist für Betroffene sinnvoll.

Hilfsmittel für die Maskenbeatmung

  • Es gibt eine große Vielfalt an Geräten, Masken (Nase, Nase-Mund) und Schlauchsystemen.
  • Hustenunterstützung bei neuromuskulären Erkrankungen
  • Sekretolyse = „Schleimlösen“
  • Sekretexpektoration = „Schleim“ herausbringen
  • Methoden u. a.:
    - Flüssigkeitszufuhr
    - Atemluftbefeuchtung und Inhalation
    - Oszillierende PEP-Systeme
    - HFCWO, z.B. The Vest™ („Rüttelweste“)
    - Lagerungsdrainagen
    - Huffing
    - Salvenhusten
    - Thoraxkompression
    - Air-Stacking / „Luft stapeln“
    - „Froschatmung“
    - LIAM (Lung Insufflation Assist Maneuver)
    - M-I-E (Mechanical-Insufflator-Exsufflator), z. B. Cough Assist™ E70, Nippy Clearway, Pegaso Cough, …
    - Heimlich-Manöver

Praktischer Teil: Hilfsmittel zur Unterstützung der Atmung

  • für Schlafatemtherapie, Beatmungstherapie, Sekretmanagement, Atemtherapie
  • zum Atemmuskeltraining, zur Sekretmobilisierung zur Selbstkontrolle und als Messinstrumente
  • Varianten:
    - Intermittierende Beatmung (optional automatisch anpassend)
    - Lebenserhaltende Beatmung (Beatmungszeit > 16 Std/Tag)
  • nichtinvasiv mittels Nasenmaske / Mundnasenmaske / Mundstückbeatmung
  • invasiv mittels Tracheostoma
  • Hilfsmittel des Sekretmanagements, um
    - Sekret zu lösen und zu mobilisieren
    - den Hustenstoß zu unterstützen
    - Sekret effektiv abzuhusten
    - Sekret sicher zu entfernen